Caspar David Friedrich und die Theorie des Erhabenen
Friedrichs Eismeer als Antwort auf einen zentralen Begriff der zeitgenössischen Ästhetik
Das Eismeer zählt zu Recht zu den bekanntesten Bildern Caspar David Friedrichs. Zu einer „Ikone der Romantik“ geworden und geradezu inflationär reproduziert, hat es jedoch an Radikalität eingebüßt, so daß kaum mehr zu ermessen ist, wie das Gemälde auf Friedrichs Zeitgenossen gewirkt hat.
Den ersten Rezipienten des Eismeeres versucht sich die Studie von Johannes Grave zu nähern, indem erstmals nach einer Beeinflussung durch Johann Gottlob von Quandt gefragt wird. Quandt hatte Friedrich zu Beginn der 1820er Jahre um eine inzwischen verschollene Eismeerdarstellung gebeten, die unter dem Titel „Die gescheiterte Hoffnung“ bekannt wurde. Der Auftrag bietet verläßliche Hinweise darauf, daß Friedrichs Eismeerbilder in den Diskurs um das Erhabene einzuordnen sind. Doch folgte der Maler keineswegs gänzlich den Vorgaben des ambitionierten Auftraggebers, vielmehr ist sein Eismeer als kritische Reaktion auf die Theorie des Erhabenen zu werten, da es sich formal wie inhaltlich letztlich dem Anliegen von Quandts kunsttheoretischem Konzept verschließt.
Die vorliegende Studie versucht daher nicht nur, die Entstehungsumstände des Eismeeres näher zu beleuchten (mit vergleichendem Blick auf den Tetschener Altar, den Mönch am Meer, die Kreidefelsen auf Rügen und den Watzmann), sondern auch Friedrichs Position zur bislang meist unkritisch auf ihn bezogenen Theorie des Erhabenen deutlicher zu konturieren.