Das Altarensemble
Eine Analyse des Kompositcharakters früh- und hochmittelalterlicher Altarausstattung
Die Altäre mittelalterlicher Kirchen waren zumeist mit einer Fülle unterschiedlichster Objekte und Bildträger geschmückt, deren formale, ikonographische und funktionale Zusammenhänge in der Forschung bislang wenig Beachtung fanden.
Im Gegensatz dazu versteht die vorliegende Arbeit die verschiedenen Ausstattungsstücke am, auf und hinter dem Altar (Antependien, Retabel, vollplastische Heiligenfiguren, Reliquienschreinaufbauten, Ciborien, Wandmalereien) als Teile eines bewußt gestalteten Ensembles.
Vorgestellt werden erhaltene oder rekonstruierbare Beispiele des 9. bis 14. Jahrhunderts aus ganz Europa, wobei eine immense Variationsbreite der Kombination zwei- und dreidimensionaler Objekte und Bilder deutlich wird, die zumeist additiv zusammengefügt wurden. Anbringungsort, Größe, Plastizität, Darstellungsmodus und Inszenierungsmöglichkeit durch Licht oder einen Flügelschrein wurden als Mittel der Gewichtung der jeweiligen Stücke eingesetzt.
Die additive Kombination ermöglicht eine große Flexibilität, die unterschiedlichsten theologischen und kultischen Intentionen gerecht werden konnte. Darüber hinaus waren spätere Veränderungen relativ einfach zu realisieren. Demgegenüber war die Zusammenstellung der Teile vor allem bei freistehenden Hochaltarensemblen formal oft unbefriedigend. So gab es bereits im späten 13. Jahrhundert Beispiele, bei denen die einzelnen Objekte miteinander zu einem autarken, in sich abgeschlossenen Gesamtkomplex verschmelzen. Im 14. Jahrhundert erhielt dann der Flügelschrein eine neue Schlüsselrolle als Integrationsmedium des früheren additiv-multimedialen Altarensembles – es begann die Zeit der großen Flügelretabel.