Die Ausmalung der Bibliothek im Schloß Wörlitz
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau alles daran, sein kleines Fürstentum als geistiges Gegenbild Preußens zu etablieren. Dass ihm dies gelang, dokumentieren die inzwischen zahlreichen Forschungen zu den richtungsweisenden, aufklärerischen Maßnahmen des Fürsten, zu dem sogenannten Dessau-Wörlitzer-Kulturkreis und zu dem Wörlitzer Landschaftsgarten. Diese Arbeit von 1993 stellt die früheste Untersuchung der Innenraumgestaltung des 1769-73 im Stil eines englischen Landhauses errichteten Wörlitzer Schlosses dar. Der Hauptschwerpunkt liegt dabei auf der Bibliothek, da diese in besonderer Weise Auskunft über das Selbstverständnis des Fürsten gibt.
In der italienischen Tradition eines 'studiolo' haben der Fürst und sein Architekt und Berater Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff hier einen Raum der Kontemplation und des ‚geistigen Dialogs' geschaffen. Die Bibliothekswände sind mit 90 Porträts von Gelehrten, Dichtern und Künstlern von der Antike bis in die Zeitgeschichte des Fürsten hinein ausgemalt. Bei der Suche nach den Vorbildern der in der Art von Flachreliefs ‚en camaïeu' an die Wand gemalten Porträts ergab insbesondere die Identifizierung von wörtlichen Übernahmen einiger Bildnisse antiker Philosophen und Schriftsteller von Raffaels Fresken in der Stanza della Segnatura im Vatikan entscheidende Hinweise auf das Programm der Raumgestaltung und darüber hinaus auf das Selbstverständnis des Fürsten als Förderer und Bewahrer der Schönen Künste.