Die Justitia
Eine Annäherung an die Allegorie der Gerechtigkeit
Die Justitia ist zweifellos die bekannteste allegorische Darstellung im europäischen Raum. Wer sie sieht, weiß sofort Bescheid: Hier zeigt sich die Gerechtigkeit. Aber welche Gerechtigkeit? Die der Justiz, des Richters, des Gesetzes, der Gesellschaft, der Politik, des Herrschers oder die jedes einzelnen? An wen wendet sie sich? An die Gerechten oder diejenigen, die es werden sollen? Und was heißt überhaupt „Gerechtigkeit“? „Gerechtigkeit“ ist ein im Wandel der historischen Diskurse wechselhaft aufgeladener Begriff. Das gleiche gilt für die Allegorie der Gerechtigkeit, die Justitia. Ebenso wie ein Begriff ist sie im Laufe der Jahrhunderte äußerlich mit ihren Attributen weitgehend gleich geblieben. Doch auch sie steht und stand in ganz unterschiedlichen räumlichen, zeitlichen und symbolischen Kontexten, aus denen heraus ihre genauere Semantik zu rekonstruieren ist.
Neben dem Sprachbegriff, so die These dieses Buches, gibt es auch einen Bildbegriff, der nicht einfach Übersetzung aus dem anderen ist und folglich eine eigene Bildbegriffsgeschichte aufweist. Der erste Teil der Untersuchung widmet sich den kommunikativen Grenzen und Möglichkeiten allegorischer Bilder im allgemeinen und der Konstitution der Justitia im besonderen. An drei ausführlich behandelten Beispielen verschiedener Epochen wird dann eine philosophische Hermeneutik der Gerechtigkeitsallegorie erprobt, die zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen führt. Sie will versuchen, damit einen Beitrag zur Ideengeschichte zu liefern, der sich einmal nicht an Texten, sondern an Bildern orientiert.