Grundzüge neukantianischen Denkens in den Frühschriften und der „Philosophischen Anthropologie“ Helmuth Plessners
Die bislang nur selten beachteten frühen Schriften Plessners, besonders die „Krisis der transzendentalen Wahrheit im Anfang“ (1918) und die „Untersuchungen zu einer Kritik der philosophischen Urteilskraft“ (1920), stehen im Mittelpunkt der vorliegenden Studie, die zwei bemerkenswerte Ergebnisse präsentiert.
Zum einen wird aufgrund exakter Analysen und Theoriebeschreibungen die Einsicht entwickelt, daß sich der Plessnersche Kritizismus ganz eindeutig am Marburger Neukantianismus orientiert und dessen Grundthesen fast wörtlich übernimmt. Überraschend ist dies insofern, als Plessner seine Quellen nicht kenntlich macht und den Marburger Kritizismus nur erwähnt, um das gängige Vorurteil von dessen einseitiger Orientierung an den exakten Naturwissenschaften zu reproduzieren.
Zum anderen stellt die Verfasserin heraus, daß sich die berühmte philosophische Anthropologie von 1928 in dem theoretischen Rahmen bewegt, der bereits 1918 und 1920 abgesteckt wurde. Demnach muß man sich zukünftig von der gängigen Annahme verabschieden, Plessner habe sich mit seiner Anthropologie und den damit zusammenhängenden Forschungen endgültig von der Transzendentalphilosophie abgewendet. Das Gegenteil ist der Fall: Die Anthropologie ist zu lesen als ein Versuch, den transzendentalphilosophischen Grundlegungsrahmen zu konkretisieren und zu bewähren.
Diss. Bonn 1994.