Pretiosen persönlicher Andacht
Bild- und Materialsprache spätmittelalterlicher Reliquienkapseln (Agnus Dei) unter besonderer Berücksichtigung des Materials Perlmutter
In öffentlichen wie privaten Sammlungen vertreten, doch von der Forschung bislang mit wenig Aufmerksamkeit bedacht, bietet diese Materialgruppe spätmittelalterlicher Kapselanhänger mit kleinformatigen Bildreliefschnitzereien aus Perlmutter und metallgestochenen figürlichen Darstellungen eine Vielzahl von Bezugsmöglichkeiten, die eine eingehende Untersuchung lohnend machen. Schon ihr zeitlich und geographisch eng umgrenztes, sich vorwiegend auf den deutschsprachigen Raum des 15. Jahrhunderts konzentrierendes Vorkommen wirft die Frage auf, warum diese spezielle Objektform gerade zu jener Zeit eine derartig weite Verbreitung fand. Diese antwortet, wie in der Arbeit erstmals gezeigt werden kann, mit ihrem sich aus einem kreisrunden Umriß, dem spezifischen Material und dem darin umgesetzten Bildthema konstituierenden Erscheinungsbild auf ein verändertes, stark auf sinnliche Eindrücke zielendes religiöses Erleben. Ein nicht unerheblicher Stellenwert kommt dabei dem hell schimmernden Weiß der Muschelschale zu.
Der angegliederte Katalog verzeichnet siebzig Objekte, welche bisher nur in marginalen Notizen der Sammlungs- und Ausstellungskataloge publiziert sind, wenn überhaupt. Aus diesem Grund wird der Objektpräsentation im Katalogteil ein großer Stellenwert eingeräumt. Einzelne Stücke werden erstmals ausführlich und detailliert dokumentiert.
Die formale Bestandsaufnahme ergänzen Ausblicke auf vergleichbare Objekte und die zeitgenössische Graphik. Ausgehend von diesem Fundament wird das Zusammenspiel von Darstellungsinhalt, Herstellungsmaterial und Funktion demonstriert, kurz, das narrative Spektrum des als Andachtsobjekt genutzten Gegenstandes skizziert. Der Gedanke, daß Artefakte der Goldschmiedekunst auch als Träger bestimmter inhaltlicher Aussagen verstanden wurden, fand in der gegenwärtigen Forschung bislang kaum Berücksichtigung. Doch die bildlichen Qualitäten der Objekte zeichnen sie vor dem Hintergrund eines gesteigerten religiösen Sinnenempfindens und einer affektiven Frömmigkeit als Pretiosen persönlicher Andacht aus.
Diss. Köln.