Dicke Luft um Blauen Dunst
Geschichte und Gegenwart des Raucher/Nichtraucher-Konflikts
Rauchen oder Nichtrauchen? Vordergründig bloß ein persönliches Problem? Im Zeitalter des Passivrauchens, der Nichtraucherzonen und der organisierten Rauchgegner geht es längst nicht mehr nur um das Rauchen als eine individuelle Handlung, sondern um eine Fülle von weitreichenden sozialen und kulturellen Fragen.
Häufig schon ist die Geschichte des Rauchens als eine glanzvolle Erfolgsgeschichte geschrieben worden. Bei näherem Hinsehen jedoch entpuppt sich diese Karriere auch als eine Chronik der Widerstände, der Proteste und Sanktionen. Seit der Einführung des Tabaks in Europa vor gut 500 Jahren wird dessen Verbreitung und die Veränderung seiner Konsumweisen von staatlichen, kirchlichen und sozialen Bedenken begleitet. Erst im Zuge der gesellschaftlichen Liberalisierungen um die Mitte des 19. Jahrhunderts konnte sich das Rauchen etablieren als eine Genußform, die die traditionellen Grenzen von sozialem Milieu, Alter und Geschlecht zu brechen scheint. Seit der Phase der Industrialisierung und der Erfindung der Zigaretten hat die massenhafte Verbreitung des Rauchens auch die letzten kritischen Stimmen übertönt. Auf dem Zenit dieser Entwicklungen in der Nachkriegszeit der 1950er und 1960er Jahre beginnt jedoch die Phase der wissenschaftlich-medizinischen Problematisierung des Rauchens. In den letzten Jahren sind die alltäglich spürbaren Zeichen immer deutlicher geworden: Der blaue Dunst beginnt sich zu verflüchtigen.
Heute befinden wir uns in einem Zeitalter, in dem Nichtraucherzonen beinahe allgegenwärtig zu finden sind.; kaum ein Tag vergeht ohne eine Zeitungsmeldung über ein neues rauchbedingtes Gesundheitsrisiko, und alltäglich sind mehr oder minder drastische Zusammenstöße zwischen Rauchern und Nichtrauchern zu beobachten. Seit der Entdeckung der Gefährdung durch das Passivrauchen in den 1970er Jahren haben die Rauchgegner begonnen, sich in Vereinen und Initiativen zu organisieren. Der Druck auf die Tabakindustrie und die Raucher wächst ständig, sodaß auch diese Interessenvertretungen und Lobbys gegründet haben. Es hat sich innerhalb weniger Jahre ein manifester Konflikt herausgebildet, der sowohl von wissenschafltichen Experten, Verbänden, Behörden und Vereinen als auch alltäglich von Rauchern und Nichtrauchern "an der Basis" geführt wird. Die Konturen der Konfliktparteien zeichnen sich deutlich ab, obwohl deren Zusammensetzung abermals quer verläuft zu den klassischen Merkmalen wie Schicht, Geschlecht, politische Orientierung und ähnlichem. Die Fronten in der Kontroverse sind dabei so verhärtet, daß es an kritisch-distanzierten Annäherungen und Analysen mangelt; fast durchweg finden sich einseitige und parteinehmende Darstellungen.