Fotografieren und Forschen
Wissenschaftliche Expeditionen mit der Kamera im türkischen Exil nach 1933
Das Buch widmet sich der Tätigkeit deutscher Wissenschaftler in der Türkei in den 1930er-Jahren und untersucht, wie sie die damals neuen Kleinbildkameras für ihre Forschungsvorhaben einsetzten. Die Kinderärzte Albert und Erna Eckstein waren wie die Zoologen Curt und Leonore Kosswig, der Architekt Gustav Oelsner, der Indologe Walter Ruben und der Alt-Philologe Georg Rohde vor den Nationalsozialisten in die Türkei geflohen. Auch der Komponist Paul Hindemith wirkte ab 1935 für mehrere Jahre als Berater der türkischen Regierung. Mit ihren Fotoapparaten erkundeten sie das ihnen fremde Land, widmeten sich Baukultur, Kulturgeschichte, Landschaften und Menschen. In ihren Fotografien manifestieren sich spezifische Interessen, die wissenschaftliche Fragestellungen berühren. Besonders der Pädiater Eckstein hinterließ ein eindrucksvolles Œuvre mit außergewöhnlichen Aufnahmen anatolischer Frauen und Kinder, denen er in seinen poliklinischen Sprechstunden begegnete. Die Biologin Leonore Kosswig interessierte sich für die örtlichen Lebensweisen und kunsthandwerklichen Traditionen; als eine der ersten weiblichen Forschungsreisenden war sie in der ländlichen Türkei unterwegs. Die eindrucksvollen Aufnahmen der Türkei-Emigranten werden nun erstmals ausführlich publiziert. Das Buch artikuliert die These, dass die Motivation zur Auseinandersetzung mit der Türkei auf ein Assimilierungsbedürfnis zurückging, das mit einem wissenschaftlichen wie fotografischen Interesse korrespondierte: Fotografie als zentrales und sehr persönliches Medium der Welt- und Wissensaneignung in der Emigration.