Sexualität und Öffentlichkeit im frühen 19. Jahrhundert
Forschungsprobleme, Sammlungsstrategien, Intermedialität am Beispiel von Liedern und Bildern aus Österreich
Auf Basis des in Österreich vorhandenen Materials werden die Beschreibungen von Schönheitsidealen, Geschlechtsteilen und sexuellen Handlungen in den Kontext der Lebensverhältnisse der jeweiligen Schicht gestellt. Denn im Gegensatz zu den theologischen, medizinischen und juristischen Diskursen sind diese ‚schmutzigen‘ Lieder de facto die einzigen Texte dieser Zeit, welche den ‚einfachen Leuten‘ des frühen 19. Jahrhunderts eine Stimme geben. Die Lieder spiegeln einerseits die patriarchalen Verhältnisse wider, sie zeigen aber auch, dass Frauen damals keineswegs stumm und nur passive Wesen waren.
Die akademische Volkskunde verschloss sich der Analyse dieser Texte aus dem Volk und der Erforschung des Umganges mit Sexualität breiter gesellschaftlicher Schichten. Die Texte thematisieren jedoch frühe Konfrontationen mit Sexualität aufgrund der geringen Privatsphäre, Fragen der Empfängnisverhütung und Schwangerschaft, Themen wie Hygiene und Krankheiten. Besungen wurden sexuelles Begehren aber auch gesellschaftliche Normen. Es gab poetische Umschreibungen und sexualisierte verbale Gewalt. Jenseits der Lieder, die Mägde und Knechte beim Tanz sangen, erfreuten sich Angehörige des Bildungsbürgertums an erotischen bzw. pornographischen Umdichtungen der Werke von Schiller, Mozart oder Nestroy.
„Sexualität und Öffentlichkeit im frühen 19. Jahrhundert“ wurde 2022 mit dem Forschungspreis Canorum Styriae ausgezeichnet. (Hier mehr erfahren)